Intramuskulär

1.  Einleitung

Dieser Begriff versteht sich eigentlich von selbst. Dennoch haben wir ihn hier aufgenommen. Er wird in Zusammenhang mit einer bestimmten Interferontherapie genannt. Wir beschäftigen uns damit, da diese Therapie praktische Vorteile gegenüber der subkutanen Interferontherapie hat. Über die Wirkunterschiede wird natürlich trefflich gestritten und jeder Hersteller hat selbstverständlich aus eigener Sicht selbstverständlich die beste Therapie. Daran beteiligen wir uns nicht. Also werden wir nur darauf eingehen, was es bedeutet, eine intramuskuläre Therapie zu wählen.

 

2.  Das tut doch bestimmt weh?

Das kann man sofort verneinen. Bei fachgerechter Anwendung ist es eine reine Geschmackssache, ob man das leichte Druckgefühl der intramuskulären Spritze oder das eher »pieksige« Gefühl der subkutanen, feinen Nadel bevorzugt. Von schmerzhaft im eigentlichen Sinn sind beide Methoden weit entfernt. Unangenehm vielleicht, aber nicht mehr. Trotzdem ist es nicht einfach, die etwas längere Kanüle der intramuskulären Therapie anzuschauen und sie dann in den Oberschenkel zu stechen. Da theoretisch eine MS-Therapie kein zeitliches Ende hat, also für immer ein ständiger Begleiter sein wird, gewöhnt man sich an das Spritzen. Oder auch nicht!

 

3.  Kann ich mich verletzen?

Auch wenn man es kaum glauben mag, muss man schon ein sehr schweres Stadium der Magersucht erreicht haben, damit man irgendetwas Knochiges trifft. Das wird aber vorher durch die BeraterInnen abgeklärt, so dass man sich darüber keine Gedanken machen muss. In der Regel sind AnwenderInnen überrascht, wie schmerzfrei sich die Prozedur gestaltet. Blaue Flecken und Verhärtungen sind nahezu ausgeschlossen. Liebe Anwenderinnen, die Bikini-Figur ist für den nächsten Sommer nicht in Gefahr. Wir möchten an dieser Stelle allerdings darauf hinweisen, dass die Therapiewahl nicht von der Optik am Strand abhängig gemacht werden sollte. Außer man ist von Berufs wegen Model.

 

4.  Wie oft muss ich spritzen?

Jetzt kommen wir zu einem Highlight der Therapie! Einmal die Woche muss man sich piksen. Und wer häufig auf Reisen ist, für den könnte es von Vorteil sein, dass die Spritze länger ungekühlt aufbewahrt werden darf als bei der subkutanen Therapie. Natürlich gibt es auch für die intramuskuläre Therapie einen Injektomaten, der früher wie eine teure Uhr in einer Hartpappschachtel mit Samt-Inlett geliefert wurde. Natürlich gibt es auch hier eine Einweisung für die Verwendung des Automaten. Meine persönliche Erfahrung war allerdings so, dass ich den Injektomaten wie ein Kunstobjekt im Wohnzimmer aufgestellt habe. Benutzt habe ich ihn nicht. Mir war die Handhabung etwas zu nervig. Spritze aufreißen, rausnehmen, reinstechen, fertig, das sagte mir mehr zu Während eines Fluges nach England fiel spontan ein, dass ich das Spritzen vergessen hatte. Noch etwas unbedarft im Umgang mit der Materie geriet ich in Panik und haute mir die Spritze im Flieger rein, während gerade eine Flugbegleiterin neben mir stand. Im Nachhinein kann ich nur sagen: »Lasst euch nicht dazu hinreißen, im Flieger spitze Sachen in euch reinzurammen!«

5.  Was ist denn nun besser?

Die gewählte Therapie bei MS ist mehr eine Glaubens- als eine Wissensfrage. Von: „Therapien funktionieren sowieso nicht“, bis „Ich wurde geheilt!“, werdet ihr alles hören und lesen. Die Pharmabranche hat nicht gerade den besten Ruf. Das ist vergleichbar mit dem Ansehen von Autoverkäufern, von denen man behauptet, sie wären legitime Nachfolger der aus der Geschichte bekannten Viehdiebe in den Kinderjahren der Vereinigten Staaten. Die Pharmaindustrie hat sich auch über die Alchemie, die Anwendung von Wässerchen professioneller Hufschmiede, die gleichzeitig Zähne zogen, zu multinationalen Unternehmen im weißen Gewand entwickelt. Nun leben wir nicht mehr im 18ten oder 19ten Jahrhundert. Gesunde Skepsis ist dennoch angebracht, Verteufelung einer ganzen Industrie ist hingegen definitiv nicht zielführend. Wir sind darauf angewiesen, dass die Pharma-Unternehmen forschen, solange keine Regierung unabhängige Forschung ins Leben geruftund finanziert.

Was wir damit ausdrücken möchten, ist, dass es eure Entscheidung ist, eure Erfahrung zählt und jeder muss für sich entscheiden, welche Therapie die individuell richtige ist. MS ist nicht heilbar (bis zur Veröffentlichung dieses Fachbuches). Egal welche Spritze, die Nadellänge kann kein Kriterium für die Behandlung einer Krankheit sein, die verheerende Folgen für den gesamten Menschen haben kann.