Regelfall/Budget

  1. Was hat das mit MS zu tun?

Sehr viel, muss leider die Antwort lauten. Wer hat noch nicht im Netz darüber gelesen, das Ärzte Physiotherapie, Ergotherapie und Massagen mit dem Hinweis auf die Budgetierung ablehnen? Vielleicht habt ihr es sogar am eigenen Leibe gespürt und das Gesundheitssystem verteufelt.

Was steckt nun hinter dem Budget und sind es die gesetzlichen Krankenkassen, die uns die notwendige Behandlung verwehren?

Das von uns immer wieder aufs Tapet gebrachte Budget, nennt sich im »Sprech« der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) »Wirtschaftlichkeitsprüfung«. Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt nach ihrem Gusto das Geld der GKV auf ihre Ärzte. So haben die Ärzte eine starke Verhandlungsposition gegenüber unserem Vertreter der gesetzlichen Krankenkasse. Damit geht das Tauziehen um unsere Beiträge so richtig los. Bei allem beruflichen Ehrgeiz und besonderer Menschenliebe möchten Ärzte gleich nach den übermächtigen Pharmariesen das zweitgrößte Stück vom Beitragskuchen. Das ist völlig einsichtig, da sie freie Unternehmer sind.

Wenn Oma mit Hüftschmerzen zum Hausarzt geht oder die Grippewelle alljährlich zuschlägt, ist es in der dritten Woche des Monats schon etwas mau mit der geforderten »Wirtschaftlichkeit«.

[1] Wie nachstehend dargestellt, klagte ein Arzt (vor 2013!) über die Budgetierung:

„Seit einigen Jahren arbeiten alle ambulant tätigen Ärzte unter dem Druck von Budgets.Wir kennen ein sog. Individualbudget, das die Abrechnungsfähigkeit ärztlicher Leistungen nach oben begrenzt, da die zur Verfügung gestellte Honorarmenge (Geld) nicht unendlich ist. Allerdings führt diese Leistungsobergrenze bei mir dazu, dass ich etwa 4 Wochen eines Quartals praktisch unbezahlt arbeite. Anderen Kollegen, auch anderer Fachrichtungen, geht es ähnlich. Das Geld folgt also nicht der erbrachten und angeforderten Leistung. Leistung lohnt sich also nur bedingt und könnte dazu führen, dass der eine oder andere Arzt die Leistungserbringung für Patienten ein oder mehrere Quartale hinausschiebt, bis er sie wieder bezahlt bekommt. Haben Sie schon mal erlebt, wie schwer es ist, in bestimmten Fachrichtungen einen Termin zu bekommen? Andererseits werden natürlich die Anforderungen an die Ärzte mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung und der Zunahme der altersbedingten Krankheiten immer höher. Auch dadurch wird die Leistungsgrenze der Ärzte überschritten und äußert sich in langen Wartezeiten.“

 

Wir haben bewusst eine Information für Patienten dieser Praxis herausgesucht, die schon ein paar Jahre alt ist.

Denn wichtiger sind die Richtlinien der KV und die ändern sich! Sonst wäre der Club ja überflüssig.

 

  1. Wir gehören nicht dazu

Für uns MSler ist das ganze Gerede über lange Wartezeiten, weil das Budget aufgebraucht ist, Schall und Rauch, da wir nicht der Regelfall sind. 2013 mussten die niedergelassenen Ärzte allerdings für jeden einzelnen Patienten mit MS Schreibkram erledigen, um dafür zu sorgen, dass wir außerhalb des Budgets abgerechnet werden konnten.

Das wurde sicher von der eigenen Organisation, der Kassenärztlichen Vereinigung, nicht vergütet. Wer arbeitet schon gern umsonst? Also wurden viele von uns nicht aufgeklärt und mit der Falschinformation der Budgetierung abgespeist.

 

Wer auch immer dann endlich eine zündende Idee hatte, ist nicht überliefert. Jedenfalls hat die KV zwischenzeitlich Listen mit Diagnosen an die Vertragsärzte herausgegeben, in denen Krankheiten aufgeführt sind, die außerhalb des Regelfalls laufen. Der niedergelassene Arzt hat damit keinen »Schreibkram« mehr.

Was dem Arzt ins Portemonnaie spielt, hilft indirekt auch uns. Das nennt man eine »Win-Win«-Situation. Wir bekommen das, was uns schon immer zustand, und die Ärzte generieren mehr Umsatz, da sie bzw. die ArzthelferInnen weniger Arbeit haben.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass nicht jeder Arzt liest, was die eigene Organisation so alles beschließt. Dabei sind die Texte wirklich kurz, einfach und informativ gehalten.

 

  1. Stand 2017

Damit euch kein schlecht informierter Mediziner versehentlich falsch informiert, möchten wir euch die Informationsschrift[2] für Kassenärzte zum Jahr 2017 zur Kenntnis bringen.

Wer das nicht alles lesen will hier die Highlights:

 

Patienten mit besonders schweren Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder bestimmten rheumatischen Erkrankungen benötigen oftmals mehr Heilmittel und haben daher einen „besonderen Verordnungsbedarf“. Welche Erkrankungen das sind, fasst eine Liste mit Diagnosen zusammen, die seit 2013 bundesweit als Praxisbesonderheiten (ab 2017 besonderer Verordnungsbedarf) anerkannt werden. Die Kosten für diese Verordnungen werden bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen aus dem Verordnungsvolumen des Vertragsarztes herausgerechnet.

 

Jetzt habt ihr es schwarz auf weiß. MS ist eine schwere Erkrankung, die schon vor 2013 auf der Liste stand. Hoffentlich wusste euer Arzt davon!

Damals musste er allerdings noch Anträge ausfüllen usw..

Wer die Liste aufmerksam liest, wird schon zu Beginn feststellen, dass Erkrankungen der Herzkranzgefäße nicht auf der Liste stehen. Das bedeutet, Hirninfarkt ist eine schwere Erkrankung, die auf die Liste gehört, Herzinfarkt jedoch nicht.

Irgendwie leuchtet das ein! Was sollte noch der Regelfall sein, wenn man Volkskrankheiten mit aufnimmt. MS ist jedenfalls selten genug. Sie steht schon auf der Liste, solange es eine Liste gibt.

 

  1. Was müssen wir tun?

Für Ärzte sind die Nachweispflicht und das Antragsverfahren weggefallen. Wir müssen allerdings mindestens noch einmal im Quartal zum Arzt. Warum das so ist, wissen wir nicht, allerdings muss man ja sowieso Verordnungen und Rezepte abholen.

 

  1. Tipps

Ein Arzt der etwas über Budget oder Regelfall erzählt, ist zumindest nur bedingt ein Partner deines Vertrauens.

Neurologen, die euch etwas über Budgetierung erzählen, kommen als Ärzte eures Vertrauens bei MS definitiv nicht in Frage.

Lasst euch nicht mit Heilmittelverordnungen (Physiotherapie/Ergotherapie) abspeisen, die einmal wöchentlich oder noch weniger stattfinden.

 

Einzelnachweis

[1]          http://www.praxis-klinkmueller-dix.de/budgets.htm

[2]              http://www.kbv.de/media/sp/2016_12_14_Praxisinformation_Heilmittelverordnung_inklusive_Diagnoseliste.pdf