GKV/PKV

1.  Einleitung

Gesetzliche KrankenVersicherung und Private KrankenVersicherung heißt es ausgeschrieben. Obwohl zwischen GKV und PKV nur ein Buchstabe anders lautet, haben beide nur wenig Gemeinsamkeiten. Beginnen möchten wir mit der GKV, in der sich die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger des Landes befinden. Während man in jungen Jahren nur darüber nachdenkt, was die GKV kostet, sind uns Erkrankten die Leistungen deutlich wichtiger. Bevor wir auf das leidige Thema: »Die bezahlen doch eh nichts!«, zu sprechen kommen, sollten wir uns die Aufgaben der GKV anschauen.

Wilhelm I., von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen, hat am 15. Juni 1883 den Versicherungszwang für abhängig Beschäftigte eingeführt. Das war ein bahnbrechender, geradezu revolutionärer Schritt, um die Bürgerinnen und Bürgersozial abzusichern. Der Grundsatz, jeden gleich zu behandeln, unabhängig von Geschlecht, Beruf, Einkommen, usw., ist bis auf den heutigen Tag der wichtigste Aspekt einer gerechten Versorgung der Bürger einer Gesellschaft. Bevor jetzt der Erste schreit, dass das ja gar nicht zutreffe, sollte man sich den schlauen Satz: »Papier ist geduldig«, vor Augen führen. An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass die Gesetzeslage nur wenig Angriffspunkte für Kritik bietet. Die Ausführung durch Menschen in Verantwortungspositionen und die politische Orientierung sind es, die die Umsetzung des Gesetzes durch Sachbearbeiter massgeblich bestimmen. Die Idee ist und bleibt eine große Errungenschaft.

 

Kommen wir jetzt kurz zur PKV, die im Kern schon nichts mit GKV zu tun hat. Es ging und geht immer um einen bestimmten Personenkreis, für den eine gesetzliche Absicherung vorgesehen war und ist. Selbstständige, Reiche, Adlige usw. fielen nie darunter. Man hatte genügend Geld, um seinen Leibarzt zu bezahlen. Heute gibt es Verdienstgrenzen, außerhalb derer kein Zwang zur Mitgliedschaft in der GKV besteht.. Freiwillig kann man durch Einzahlen des Beitragshöchstsatzes natürlich weiter von der GKV profitieren. Auf den besonderen Stand deutscher Beamter gehen wir in diesem Artikel nicht ein.

 

2.  Wieso ist denn die PKV was ganz anderes?

In vielen Diskussionen im Fernsehen wird leider nicht geklärt, dass die GKV rechtlich nichts mit einer PKV zu tun hat. Die grundlegenden Errungenschaften der gesetzlichen Krankenversicherung gelten für die PKV nicht. Tarife können z.B. nach Risikobeurteilung vorgenommen werden. Damit ist die PKV wie jede andere Versicherung den Gesetzmäßigkeiten der Versicherungswirtschaft und ihrer Gesetze unterworfen. Die GKV hingegen ist ein Pfeiler des Bismarckschen »deutschen sozialversicherungsrechtlichen Solidarsystems«. Während das Sozialgesetz bei GKV-Mitgliedern greift, müssen sich PKV-Mitglieder schon mit ihren Versicherern vor Zivilgerichten streiten, wenn die Beiträge zu hoch und die Leistungen nicht ausreichend sind. Dafür sollte man das Geld und einen langen Atem haben. Gerichtliche Auseinandersetzungen die GKV betreffend, werden vor Sozialgerichten ausgefochten. Das ist kostenfrei!

 

Wer also seine Gesundheit wie ein Auto versichern will, liegt bei der PKV richtig. So wie man einen Ferrari natürlich nicht Vollkasko versichern kann, kann man sich mit einer schweren Krankheit auch bei der PKV nicht versichern oder man bezahlt horrende Beiträge und man läuft Gefahr ausgesteuert zu werden. Die Basis der Versicherungswirtschaft ist nicht soziale Solidarität, sondern Risikoabwägung. Wer gesund und jung ist, zahlt wenig, wer alt und krank ist, bezahlt viel. Ob man jemals krank wird, ist damit das Risiko des Versicherten.

 

Selbstverständlich würde ich PKV-Mitglied unter diesen Voraussetzungen erwarten, beim Arzt bevorzugt behandelt zu werden. Kassenpatienten sollten sich jetzt nicht mit Privatpatienten vergleichen, das ist wie ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Neid ist zudem kein guter Ratgeber! Jeder Kassenarzt ist gleichzeitig einfach nur freier Arzt und Unternehmer. Es ist seine Entscheidung, ob er alle Patienten gleich behandelt oder ob er es vorzieht, mit den PKV-Versicherten höhere Einnahmen zu erzielen. Das sollte einen Kassenpatienten nicht stören, denn was der Arzt außerhalb seiner kassenärztlichen Tätigkeit tut, interessiert uns einfach nicht. Ärzte, die es sich leisten können, beantragen womöglich erst gar keine Kassenzulassung und behandeln nur gegen Cash. Das ist jedem Freiberufler, wozu auch die Ärzte wirtschaftlich gesehen zählen, selbst überlassen. Interessant zu wissen wäre auch, wieviel Ärzte selber freiwillig gesetzlich versichert sind. Denn nur wer gesetzlich versichert ist, trägt zum Solidarsystem bei.

 

3.  Sind die gesetzlichen Kassen so schlecht wie ihr Ruf?

Die GKV ist an die gesetzlichen Vorgaben gebunden. Alle gesetzlichen Kassen müssen nach den gleichen Gesetzen handeln. Das heißt aber nicht, dass die Führungsebenen die Gewichtung der Aufgaben nicht zuungunsten Betroffener auszulegen vermag.

Alle Versicherten haben grundsätzlich den gleichen Leistungsanspruch, dessen Umfang im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgelegt und durch § 12 Abs. 1 SGB V begrenzt ist. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Vor diesem Hintergrund kann eine Krankenkasse auch Mehrleistungen im Wege einer jeweiligen Satzungsregelung erbringen, soweit sie auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen.[5] Dazu gehören z. B. (ergänzende) Leistungen bezüglich Verhütung von Krankheiten (Prävention), häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe oder Rehabilitation.

 

Aus Wikipedia:

 

Wie werden die Worte ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ausgelegt und gewichtet? Was ist das Wichtigste? Die Sachbearbeiter der GKV berufen sich immer wieder gern auf Wirtschaftlichkeit. Langfristige Gedanken spielen häufig keine Rolle. Andererseits sind die Patienten auch selbst gefragt. Sie haben die Aufgabe, alles für ihre Gesundung oder den Erhalt des derzeitigen Zustandes zu tun. Das bedeutet, dass wir bei der Krankengymnastik mitarbeiten müssen, uns quälen müssen und nicht darauf warten, dass uns jemand gesund knetet. Denn so etwas gibt es nicht. Was wir von unserer Kasse erwarten, müssen wir selbst auch erfüllen. Immerhin waren und sind wir selbst Einzahlende in das gemeinsame Solidarsystem. Nur so gelangen irgendwann Statistiker der GKV zu der Erkenntnis, dass es wirtschaftlicher ist, MS-Betroffene langfristig zu unterstützen, statt am falschen Ende zu sparen. Solange allerdings Bewegungstrainer im Keller versauern, dürfen wir uns nicht darüber wundern, dass die Verordnung so teurer Hilfsmittel kritisch gesehen wird.

 

Wer sagt eigentlich, was zweckmäßig und ausreichend ist? Die Stimme der Pharmaindustrie ist mit unzähligen Lobbyisten im Berliner Regierungsviertel vertreten. Ihr Wort hat folglich Gewicht. Hilfsmitteleinsatz und deren Auswirkungen gehören wohl nicht zum Ausbildungsfach der Ärzteschaft. Dennoch entscheiden sie über die Verordnung von Hilfsmitteln. Sie müssen das Beschaffungserfordernis schlüssig begründen. Es gibt Gremien aus allen Bereichen, dazu gehören natürlich auch Betroffenenverbände. Konsens heißt das Zauberwort.  Was damit zum Ausdruck kommen soll, ist, dass es keinen bösen Buben im eigentlichen Sinn im System gibt und die GKV ihren schlechten Ruf völlig zu Unrecht trägt. Man kann nicht aufgrund von Einzelfällen alle gesetzlichen Kassen und schon gar nicht das System selbst verteufeln, das ist viel besser als als gemeinhin vermutet.

 

4.  Muss die GKV nicht das bezahlen, was der Kassenarzt verordnet?

Man sollte meinen, dass die Kassen den zugelassenen Ärzten vertrauen und die verordneten Dinge auch bezahlen. Dem ist leider nicht so. Es gibt in dieser Hinsicht einen heißen Kampf zwischen Kassenärzten und GKV. Zu Beginn der Einrichtungsinstallation der Sozialsysteme verhandelten die Ärzte mit den Kassen persönlich und standen somit auf verlorenem Posten. Das bekam auch der Gesetzgeber mit und ließ die Bildung einer Institution, der KV (Kassenärztliche Vereinigung) zu, die für alle Kassenärzte spricht und das gesamte Geld der GKV nach ihren Vorstellungen auf die Fachbereiche der Medizin verteilt. Es liegt also nicht mehr direkt in der Hand der Kassen, wer was bekommt.

 

Jetzt kommt für die Einzelfallprüfung der MD (Medizinischer Dienst) ins Spiel. Irgendwie muss die Kasse ja ermitteln, ob eine Verordnung zweckmäßig ist oder nicht. Denn bei der nächsten Verhandlung mit der KV wird diese wieder behaupten, dass sie viel zu wenig Geld bekomme. Das wird dann von Talkshow-Ärzten medial ausgeschlachtet und der Zuschauer bekommt schon Mitleid mit einem Landarzt, weil dieser zu verhungern droht. Vergessen wird dabei, dass die KV selbst dafür sorgt und damit verantwortlich ist, dass die Verteilung auf die unterschiedlichen medizinischen Disziplinen vielfach ungerecht ist. Wem jetzt der Kopf brummt und die Augen schmerzen, dem sei gesagt: »Trotz aller Mängel haben wir eines der besten gesetzlichen Versicherungssysteme der Welt!« Der Streit um das Vorhandensein der PKV sollte uns nicht kratzen und nicht von wesentlichen Dingen ablenken. Es wird nie eine Gerechtigkeit zwischen abhängig Beschäftigten niedriger und mittlerer Einkommen und Besser- bzw. Topverdienern geben. Liebe gesetzlich Versicherte blendet sie einfach aus, wenn sie in den eigens für sie geschaffenen Warteraum beim Arzt gehen. Das Gerede im Fernsehen über das Entstehen einer Zweiklassenmedizin ist lediglich ein Quotenbringer. Ärzte haben wie jeder Freiberufler das Recht, marktübliche Preise zu nehmen. Für mehr Geld gibt es eine andere Leistung. Ob die besser ist, sei aber dahingestellt. Oftmals werden Privatversicherten auch nur Leistungen empfohlen, weil sie Geld bringen, ohne wirklich erforderlich zu sein.

 

 

5.  Sind nicht die Leistungen der PKV immer besser?

 

Nein!

Einerseits ist es natürlich toll, wenn einen der Chefarzt in der Klinik mit Handschlag begrüßt. Andererseits hat wohl kaum jeder jung in die PKV eingetretene Versicherte sein Vertragswerk genau gelesen. Das empfiehlt sich aber dringend. Für uns MSler, die wir diesen Artikel lesen, ist der Hund schon in den Brunnen gefallen. Ein paar Beispiele:

Die GKV muss die Kosten für alle Hilfsmittel aus dem gemeinsam verabschiedeten und ständig überarbeiteten Hilfsmittelkatalog übernehmen. Die PKV nicht! Daraus resultiert, dass einige Privatversicherte überhaupt keine Versorgung mit einem Aktivrollstuhl bekommen, da diese Leistung nicht Vertragsbestandteil ist. Oder! Reparaturen an Hilfsmitteln trägt der Versicherte in aller Regel selbst. Hilfsmittel im häuslichen Bereich zur Pflege, wie Lifter und Co. werden selten ohne Komplikationen bezahlt. Wer schon einmal mit Versicherungen gekämpft hat, weiß wo der Hammer hängt. Da gibt es keine Sozialrichter, die im Zweifel für den Betroffenen entscheiden.. Sie befinden sich vor einem Zivilgericht! Das ist eine andere Welt! Die Sozialgerichte funktionieren da noch ganz anders.

 

Alles in allem ist MS keine Erkrankung, die dem PKV-Versicherten Vorteile beschert. Bei Operationen, Wahl des Chirurgen und möglichen Ersatzteilen im Körper mag es so sein. Was auffällig ist, ist der Umstand, dass die Leistung der PKV immer dann besser ist, wenn Ärzte und Pharmaindustrie überproportional profitieren. Die Hilfsmittelbranche, Rehabilitation, Krankengymnastik und Ergotherapie haben in dieser Hinsicht nicht gerade gut abgeschnitten. Das aber sind gerade die Pfeiler einer gelungenen MS-Therapie. Die Medis werden natürlich auch von der GKV anstandslos bezahlt.

 

6.  Wie gehe ich mit Ablehnungen als Kassenpatient um?

Häufig wird aus Geldmangel ein Hilfsmittelgesuch erstmal abgelehnt. Der erste Gang geht dann zum Arzt des Vertrauens. Nicht jeder Arzt hilft dann so, wie wir uns das vorstellen. Jedenfalls hilft eine ärztliche Begründung, warum man das verordnete Hilfsmittel dringend benötigt. Zudem empfiehlt es sich, rein prophylaktisch  Widerspruch einlegen. Damit ist man immer auf der richtigen Seite. Dazu ist zu bemerken, dass eine Ablehnung der GKV nicht bedeutet, dass einem etwas nicht zusteht. Es bedeutet lediglich, dass der Sachbearbeiter die Lage nach kasseninternen Vorgaben beurteilt und bewertet hat, die wir in der Regel nicht kennen. Gern wird die Wirtschaftlichkeit als Totschlagargument genutzt. Häufig reicht ein gut begründeter Widerspruch schon aus, um die Lage zu wenden. Wann ist denn ein Widerspruch gut begründet? Dabei helfen wir. Aber auch die großen Verbände wie z.B. der VDK. Wenn mit der GKV keine Einigung erzielt werden kann, geht der Fall vor das Sozialgericht. Auch hier muss man sich nicht fürchten. Ein Gericht wirkt immer abschreckend. Das Sozialgericht hat nichts Abschreckendes, da es durch den Gesetzgeber mit anderen Aufgaben betraut wurde als ein Straf- oder Zivilgericht.

 

Privatversicherten Personen können wir leider nicht viel raten, da wir uns mit Themen außerhalb des sozialen Solidarsystems (noch) nicht beschäftigen. Vielleicht zum Schluss ein Rat an Privatversicherte: »Verträge genau lesen; nur was unterschrieben wurde, ist auch versichert. Zu den Verträgen gehören natürlich die Richtlinien, nach denen die Versicherung (Gesetz für PKV) handelt. Hier ist die Versorgung mit Hilfsmitteln, Reha- und Krankengymnastik-Leistungen zu beachten, die häufig schlechter bis überhaupt nicht versichert sind. Ein klarer Nachteil, gegenüber allen gesetzlich Versicherten.